Medienkontrolle

Die Medien sind von Juden kontrolliert? Zeitungen, Fernsehen, Onlineredaktionen – alle werden von einer kleinen Elite gesteuert? Klingt abwegig und ist es natürlich auch
Doch viele Verschwörungsgläubige denken genau das. Grund dafür ist der antisemitische Verschwörungsmythos der jüdischen Medienkontrolle. Lerne hier mehr darüber.
Fakten
- Ursprung im 18. und 19. Jahrhundert mit Aufkommen von Zeitungen
- Element moderner bürgerlicher Gesellschaften
- Beginn 20. Jahrhundert: eingebunden in Fiktion der „Protokolle der Weisen von Zion“
- Im Nationalsozialismus wurde der Begriff „Judenpresse“ geprägt
- Heute findet man analog oft den Ausruf „Lügenpresse“
Der Mythos der jüdischen Kontrolle über die Medien
Der Mythos, die Medien seien durch eine kleine Gruppe Juden kontrolliert und würden nur berichten, was dieser geheimen Clique passt, ist schon recht alt. Aber woher kommt diese Verschwörungserzählung? Wie so oft bei Mythen und Erzählungen lässt sich kein genauer Startpunkt festlegen, aber die Verschwörungstheorie der jüdisch beherrschten Medien kam im Laufe des 19. Jahrhunderts auf. Damals waren es vor allem Zeitungen, die sich über die sich in den bürgerlichen Gesellschaften entwickelt hatten und oft nach unabhängiger Berichterstattung strebten. Das war ein Gegensatz zur einheitlichen Hofberichterstattung aus der Zeit der absoluten Herrscher, der Könige, Herzoge und Fürsten. Freie Zeitungen waren damit auch ein Kennzeichen von Demokratisierung und Liberalisierung einer Gesellschaft, also ein Merkmal der Moderne. Diese Modernisierung von Gesellschaft ging vielen zu schnell, sie verstanden sie nicht oder wollten sie ganz zurückdrängen. Die freien Medien als eines der besonders sichtbaren Zeichen von Moderne, Freiheit und Demokratie waren da ein einfaches Feindbild. Sie standen stellvertretend für die abgelehnte Modernisierung der Gesellschaft, die von denen, die das ablehnten, sowieso schon den Juden angelastet wurde.

Doch so richtig nahm dieser Verschwörungsmythos zu Beginn des 20. Jahrhunderts Fahrt auf. Mit dem Erscheinen der sog. Protokolle der Weisen von Zion wurde die Erzählung, Juden würden die Medien beherrschen in Europa und Nordamerika erst so richtig populär. In dem fiktionalen Werk der Protokolle wird in mehreren Szenen dargestellt, wie sich ein geheimer jüdischer Rat angeblich über die erfolgreiche Kontrolle der Medien unterhält und beschreibt, wie dies dem Ziel, die Weltherrschaft zu erreichen dienen würde. Ein offensichtlicher Mythos sollte man meinen, doch die Protokolle wurden in ihrer Zeit von vielen Menschen als Beschreibung realer Ereignisse missverstanden. Diese Erzählung bildet bis heute die Grundlage für die zahlreichen Verschwörungstheorien über eine angebliche Kontrolle der Medien durch eine geheime Elite.
Freie Zeitungen entstanden im 18. und 19. Jahrhundert. Sie waren Bestandteil einer sich als aufgeklärt verstehenden, bürgerlichen Gesellschaft. Diese modernen Gesellschaften, die oft nach Demokratie strebten oder sie teilweise schon verwirklicht hatten waren gekennzeichnet durch ein Zurückdrängen von Adel und Kirche und dem Aufstieg des Bürgertums. Für all jene, die den Wandel ablehnten oder nicht verstanden, waren es böse Mächte, die zur Veränderung ihrer Lebensrealität beitrugen. Die Zeitungen waren ein wichtiger Bestandteil dieser Veränderungen und die Juden schnell die Schuldigen.
Im Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde all das in staatliches Handeln übertragen, was zuvor in völkischen und nationalistischen Kreisen der Weimarer Republik gärte. Der Antisemitismus war dabei die wichtigste ideologische Leitlinie und die Welterklärungsformel schlechthin. Das heißt alles wurde anhand dieser Ideologie ausgerichtet, die Realität informierte nicht das Weltbild, sondern das antisemitische Weltbild beeinflusste die Wahrnehmung der Realität. Und die Protokolle der Weisen von Zion galten nun als Standardwerk, das angeblich über die Machenschaft „der Juden“ aufklären würde, obwohl es ein rein fiktionales Werk war. Doch die Vorstellung, die Medien seien jüdisch kontrolliert wären Teil eines Plans zur Erlangung der Weltherrschaft hatte sich bereits in den Jahrzehnten zuvor verbreitet und wurde nun für allgemeingültig gehalten. Das nationalsozialistische Parteiorgan Der Stürmer hatte ohnehin schon den Leitspruch „Die Juden sind unser Unglück“ und titelte regelmäßig von der sog. „Judenpresse“. Dieser Begriff fasst die antisemitische Vorstellung einer von Juden beherrschten Medienlandschaft in einem Schlagwort zusammen und bringt gleichzeitig die Verachtung für freie Presse und den demokratischen Meinungsaustausch zum Ausdruck.

Verzerrte Wahrnehmung
Heute findet sich eine Abwandlung dieses antisemitischen Begriffs in dem Schlagwort „Lügenpresse“, das häufig auf rechten oder verschwörungsideologischen Demonstrationen gerufen wird. Und auch in bürgerlichen und linksliberalen Kreisen finde das Narrativ der jüdischen Medienkontrolle seine Anschlusspunkte, vor allem wenn es um Berichterstattung um oder aus Israel geht.
Natürlich gibt es auch Medien, die nicht frei berichten. Diese sind aber vor allem staatlich gelenkte in autoritären Staaten wie Russland oder China. Die Medien in demokratischen Ländern sind weit geringeren Einschränkungen ausgesetzt und erst recht keiner von oben ausgegebenen Leitlinie über die Berichterstattung. Doch Verschwörungsideolog*innen sehen es genau andersrum: Sie denken, die Medien hier in Deutschland seien von einer geheimen Elite beherrscht und weichen stattdessen auf alternative Medien aus z. B. Russland aus. Denn Verschwörungsgläubige suchen keine Information, sondern lediglich Bestätigung für ihre Weltsicht.
Zeitungen, Fernsehen, Onlineredaktionen – alle werden von einer kleinen Elite gesteuert? Die Medien sind von Juden kontrolliert? Klingt abwegig und spoiler alert: ist es natürlich auch. Doch viele Verschwörungsgläubige denken genau das. Grund dafür ist der antisemitische Verschwörungsmythos der jüdischen Medienkontrolle. Was dahinter steckt und wo wir diesem alten Mythos begegnen, das schauen wir uns in diesem Video mal genauer an.